Im Coronajahr 2022 fand zum letzten Mal die Internationale Elbefahrt mit über 40 Teilnehmern statt. Der Veranstalter und Hauptinitiator musste aufgrund eigener Erkrankung die Fahrt für 2023 und 2024 leider absagen. Unser Vereinsvorsitzender wollte sich dieser Tatsache nicht beugen und startete aus eigenem Antrieb eine teilnehmerbegrenzte private "Elbetour light" mit den üblichen Verdächtigen, welche solche Mühen bekanntermaßen nicht scheuen. Immerhin handelt es sich um eine Gesamtstrecke von sage und schreibe: "630 Flußkilometern."
Wir trafen uns dazu zunächst im sächsisch-anhaltinischen Coswig, packten Boote, Gepäck, nebst uns selbst in einen dankenswerterweise bereitgestellten Bus und fuhren damit nach Tschechien. So schlugen also zu Beginn des Monats Juli 22 hartgesottene Paddler in Děčín, dem ehemaligen Tetschen-Bodenbach, auf, um auch noch den berühmten Durchbruch durch das Elbsandsteingebirge zu genießen.
Brütende Sommerhitze empfing uns dort und begleitete uns bis zum Grenzübergang bei Hrensko/ Schmilka sowie auf der Weiterfahrt via Bad Schandau, vorbei an der Feste Königsstein und der berühmten Bastei, einer weiteren regionalen Sehenswürdigkeit.
Unsere besondere Beachtung gilt dabei den Gierfähren, die ein langes Stahlseil über den Fluss ziehen, wenn sie von ihrer Heimatseite aus über das Wasser getrieben werden. Nach einer ersten Übernachtung in Pirna folgten Sehenswürdigkeiten wie Schloss Pillnitz oder die Stadt Dresden, die die zweite Station der Paddler darstellte.
Dann in Meißen schloss sich ein Ruhetag an, der sich zu einem ausgiebigen Besuch der Porzellanstadt anbot. Heinrich der Vogler, erster sächsischer König des Ostfrankenreiches, hatte sie einst an der Mündung des Baches Triebisch auf einer Anhöhe gegründet.
Bis zur nächsten Station in Riesa verflachte sich die Landschaft endgültig und es stand eine der weitesten Etappen bis nach Torgau an, wo sich 1945 Russen und Amerikaner medienwirksam die Hand reichten, um die Kapitulation Nazideutschlands zu dokumentieren.* Vorher passierte wir allerdings noch den witzigen Km 121A, der durch unterschiedliche Vermessung zwischen Preußen und Sachsen zustande kam.
Bei Flusskilometer 200, in Elster an der Elbe, ging man zum ersten Mal auf anhaltinischen Gebiet an Land. Hier, wie auch vorher, wurde uns Paddlern gastliche Aufnahme bei Kanuvereinen gewährt, die entlang der Elbe eine Infrastruktur für den kleinen Geldbeutel bereithalten. Ein ausdrückliches Dankschön an diese Menschen unter dem Dach des DKV, was mich als Verfasser schon immer tief beeindruckt hat.
Am Folgetag erreichten wir wieder Coswig / Anhalt, wo wir erneut bestens bewirtet wurden. Hier stiegen die Ersten Paddler aus der Tour aus, andere kamen neu hinzu. Organisatorisch war dieser Platz gut gewählt, konnten doch die Privatfahrzeuge der Mitfahrer gutverwahrt am Bootshaus stehenbleiben.
Unser erneutes Ziel lag bei der Junkers Paddlergemeinschaft in Dessau unmittelbar hinter der Mündung der Mulde, deren historisches Bootshaus zum Teil aus Material der alten Flugzeugherstellung gefertigt ist - welches bei uns ebenfalls einen tiefen Eindruck durch seinen musealen Charakter hinterließ.
Die nächste Marathonstrecke ging dann bis Magdeburg zum Kanuclub Börde, der leider nur über einen versandeten Nebenarm der Elbe zu erreichen war und einen wahren Kraftakt für die meisten von uns darstellte. Doch umso herzlicher war dort die Aufnahme durch die Vereinsmitglieder wie fast überall.
Am nächsten Tag beeindruckt die Silhouette der Stadt Magdeburg mit ihrem berühmten Dom, in dem Otto der Große zu Grabe liegt und eine Stromschnelle, welche durch dort liegende Felsen verursacht wird. Alsbald folgt der Überführungstrog des Mittellandkanals über die Elbe, der sich dann als Elbe-Havel-Kanal weiter nach Berlin zieht. Ab jetzt wird es deutlich einsamer am Fluss, dafür gesellt sich zu den vielen Rotmilanen nunmehr - das deutsches Wappentier - der erste Seeadler, welche die Einsamkeit der Elbauen deutlich mehr bevorzugt, als menschliche Besiedlung.
Ein weiteres Zwischenziel war der Kanusportclub Rogätz mit vorbildlicher Bewirtung abends wie morgens. In Tangermünde, der ehemaligen Residenzstadt, ging es eng zu, denn der dortige Ruderclub verfügt zwar über ein sehr schönes, jedoch gleichzeitig sehr kleines Gelände. Trotzdem genossen wir den Ruhetag zur ausgiebigen Besichtigung. Leider musste uns dort der zweitälteste Paddler auf Grund einer Verletzung verlassen.
Unsere "Alterspräsidentin" hielt aber mit ihren 86 Jahren tapfer durch. Gratulation!
Unsere nächste Station hieß Havelberg, für deren Besuch wir in den Havelkanal abbiegen und eine Schleuse überwinden mussten. Auch in dieser hübschen Inselstadt wurden wir vom Wassersportverein aufs Beste bewirtet. Konnte man bis dato noch überall die laufende Fussball-WM verfolgen, so behalfen wir uns alsbald mit verschiedenen Handyschaltungen.
Am nächsten Tag ging es über die Schleuse zurück auf die Elbe, um Wittenberge erstmals auf brandenburgischem Gebiet zu erreichen. Danach schloss sich eine weitere Marathonetappe bis zum völlig überteuerten Wasserwander-Rastplatz in der alten Festungsstadt Dömitz an, die ebenfalls nur über eine Schleuse auf dem Elde-Kanal erreicht werden konnte.
Belohnt wurden wir auf dem Weg dorthin mit nahen Blicken auf Schwarzstörche und Kraniche zwischen Unmengen an Graugänsen. Darüber hinaus klärte uns unser mitreisender Förster über die Bedeutung der Schwarzpappel in den großen Flussauenlandschaften auf.
Bei heftigem Gegenwind steuerten wir morgens zurück auf die jetzt unangenehm kabbelige Elbe und stampften durch bis zu einem einsamen Camping in Klein Küren, nicht allerdings ohne zwischendurch eine Pause in dem netten, jetzt niedersächsischen Fachwerkstädtchen Hitzacker einzulegen.
Am Folgetag erwischte uns ein heftiger Gewittersturm mit Hagelschlag auf dem langen Weg nach Geesthacht. nErstaunlich, wie sich das liebliche Antlitz der Elbe binnen Minuten verändern kann.
Ab Lauenburg erwartet uns dann ein breiter Strom mit entsprechendem Schiffsverkehr, der vorher praktisch nicht vorhanden war, obwohl wir die gesamte Zeit auf einer Bundeswasserstrasse Erster Ordnung unterwegs waren. Die beiden abgehenden Elbe-Seitenkanäle sorgen samt rücksichtslosen Sportbooten und nun fehlender Strömung für eine, sagen wir: Unebene Wasserfläche!
Auf der letzten Etappe bis Hamburg wurde es dann noch einmal unangenehm heiß. Da wir erst mit ablaufendem Wasser in die tideabhängige Unterelbe einlaufen wollten, kamen wir erst zur Tageshöchsthitze gegen 15°° Uhr in die Gänge, konnten aber direkt in die einzige deutsche Elbeschleuse einfahren. Die letzten 30 Kilometer bis zur Billwerder Bucht, wo uns die Niederdeutschen Wanderpaddler erwarteten, kamen uns allen sehr lang vor. Gemeinsam liefen wir dort nach dreiwöchiger Fahrt mit noch 13 standhaften Paddlern und fernem Blick auf Elphi und Michel ein. Noch einmal genossen wir einen Pausentag in der großen und immer wieder interessanten Hansestadt, bevor uns der Bus samt unserer Habe zurück nach Coswig fuhr.
Vielen Dank für die tolle Organisation und die vielen hilfsbereiten Vereine entlang der Strecke.
Stefan Haupt
*tatsächlich waren amerikanische Truppen längst über die Elbe weiter ostwärts vorgestoßen